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Kastration beim Hund

von | Jun 26, 2022 | Gesundheit, Hund

Lesedauer: 9 Minuten

Kaum ein Thema rund um den Hund ist so umstritten wie die Kastration. Und das nicht nur in Itzehoe oder Elmshorn, sondern überall. Viele sind ‚nach alter Schule‘ noch immer uneingeschränkt der Meinung Hunde sollten auf jeden Fall kastriert werden.  Andere sind entschieden dagegen.

Die Beweggründe reichen von der ‚Verhinderung ungewollter Vermehrung‘ wie es oft bei Tierschutzvereinen angeführt wird, über die Vorbeugung möglicher Krankheitsbilder bis zur Hoffnung bestimmte Verhaltensweisen durch die Kastration ändern zu können. Aber ist das überhaupt möglich? Und kann man das Thema wirklich so schwarz/weiß betrachten?

Natürlich bin ich keine Tierärztin und ich erhebe keinesfalls den Anspruch, dass ich in meinem Blogartikel alle Gesichtspunkte zur Kastration vollständig und ausführlich beleuchte. Es ist mir ein Anliegen den Einen oder der Anderen vielleicht einen Denkanstoß zu geben, ob eine Kastration wirklich das Richtige ist. Die Entscheidung liegt am Ende immer bei dir und deinem Tierarzt/ deiner Tierärztin.
Kastration Hund Hundetraining Itzehoe elmshorn

Rechtlich gesehen…

…darf eine Kastration nach §6 des Tierschutzgesetzes nur im Einzelfall geschehen, wenn eine tierärztliche Notwendigkeit besteht.

Im genauen Wortlaut steht dort:

Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn

1. der Eingriff im Einzelfall

a) nach tierärztlicher Indikation geboten ist […]

5. zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder – soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen – zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird.“

Aus rechtlicher Sicht ist also ganz klar geregelt, dass eine Kastration nicht stattfinden darf, nur weil der Hund das Alter X erreicht hat. Es muss immer eine Einzelfallentscheidung bleiben und ein tierärztlicher Grund dafür vorliegen. Auch besteht die Option, dass die Kastration möglich ist, wenn ansonsten eine weitere Haltung des Tieres nicht möglich wäre.

Dazu hat Tierarzt Rückert auch einen interessanten und ausführlichen Blogbeitrag geschrieben.

Die allgemeine Verpflichtung in vielen Übernahmeverträgen von Tierschutzvereinen, dass das übernommene Tier zu kastrieren ist, um die ungewollte Vermehrung zu vermeiden, ist in aller Regel unwirksam. Denn neben der Kastration durch eine OP gibt auch noch die Möglichkeit der Sterilisation, um ungewollte Vermehrung zu vermeiden. Und das Kastrations-Implantat gibt’s ja auch noch.

Kastration beim Hund Nina Hammig Training für Mensch und Hund

Welche Optionen für eine Kastration gibt es?

Rüden

Bei Rüden wird die chemische Kastration mittels eines Suprelorin-Implantat immer beliebter. Dieses Implantat wird dem Rüden im Nacken-/Schulterbereich unter die Haut gespritzt und gibt von dort aus den Wirkstoff ‚Deslorelin‘ ab. Das Implantat wird mittels einer Spritze und ohne Narkose gesetzt.

Die Hypophyse, eine Drüse Gehirn, welche für den Hormonhaushalt zuständig ist, bekommt durch den Wirkstoff permanent die Meldung, dass genug Geschlechtshormone vorhanden sind und veranlasst dass die Hoden ihre Testosteronprduktion einstellen.

Die Wirkung des Implantats ist auf 6 oder 12 Monate begrenzt, je nach gewählter Große. Es gibt allerdings auch schon Erfahrungswerte, dass die Implantate bei kleinen Hunden ggf. länger und bei sehr großen Hunden kürzer wirken können. Diese Erfahrung mussten wir mit unserem 50kg Alaskan Malamute leider auch schon machen.

Im Gegensatz zur OP ist die Wirkung des Implantats reversibel – die Wirkung des Implantats lässt nach einer Zeit ja wieder nach. Man kann so prüfen, wie der Rüde sich in etwa nach einer Kastration verhalten würde. Auch Auswirkungen auf das Fell können so sichtbar werden, viele Rüden langhaariger Rassen bekommen ein struppigeres ‚Welpenfell‘, wenn sie kastriert werden.

Nicht vergessen werden darf, dass die chemische Kastration auch alle Nebeneffekte einer chirurgischen Kastration nach sich zieht.Dazu zählen bei sehr früher Gabe des Implantats – etwa vor oder zu Beginn der Pubertät – Veränderungen im Wachstum durch fehlende Sexualhormone und auch eine fehlende/verlangsamte geistige Reifung der Hunde.

Nach Abklingen des Wirkstoffes wird der Hund in der Regel zumindest einen Teil der Pubertät ’nachholen‘.

 

Bei der chirurgischen Kastration werden beim Rüden beide Hoden entfernt.

Hündinnen

Auch bei Hündinnen gibt es die Möglichkeit einer chemischen Kastration, die ebenfalls als ‚Testlauf‘ für eine chirurgische Kastration genutzt werden kann, um das Verhalten nach einer Kastration sichtbar zu machen. Diese Option wird allerdings nur selten genutzt.

Bei der chirurgischen Kastration gibt es zwei Varianten. Entweder werden nur die Eierstöcke entfernt (Ovarektomie) oder Eierstöcke und Gebärmutter (Ovariohysterektomie) werden gemeinsam entnommen.

 

Sowohl bei Rüden als auch bei Hündinnen besteht ein Risiko, dass sie nach einer chirurgischen Kastration Inkontinent werden.

Kastration beim Hund

chirurgische Kastration Vs. Sterilisation

Bei der Kastration werden Geschlechtsorgane entnommen, die auch einen großen Einfluss auf den Hormonhaushalt unserer Hunde habe und danach entsprechend fehlen.

Bei der Sterilisation werden hingehen nur die Samenleiter beim Rüden bzw. die Eileiter bei der Hündin durchtrennt. Die Fortpflanzung wird effektiv verhindert, aber alle am Hormonhaushalt beteiligten Organe bleiben intakt.

 Jetzt fragst Du dich mit Sicherheit, warum dann nicht häufiger sterilisiert wird, oder?

Viele Halter*innen wissen schlecht weg nicht, dass es diese Möglichkeit auch gibt. Zudem werden Sterilisationen in den meisten Tierarztpraxen selten durchgeführt, da diese zwar weniger invasiv sind, aber meist teurer.  Zudem bleiben eben alle Hormone erhalten, der Sexualtrieb und alle weiteren körperlichen Reaktionen auf die Gerüche andere Hunde bleiben erhalten.

Viele Halter*innen wünschen sich aber eben genau das bei ihrem Hund zu unterbinden.

Gründe für die Kastration

Viele Halter*innen führen als Gründe für die Kastration unerwünschte Verhaltensweisen wie vermehrtes Aufreiten, ständiges markieren oder auch aggressives Verhalten und fehlende Ansprechbarkeit außerhalb des Hauses an. Oft wird auch die Läufigkeit der Hündin, welche mit einer Blutung einhergeht, als unangenehm empfunden.

All diese für uns ‚störenden Verhaltensweisen‘ sind in der Regel völlig normales, hündisches Verhalten. Und keine wirkliche Begründung für eine Kastration.

Besonders im Bereich aggressiver Problematiken stellt die Kastration kein Allheilmittel dar. In diesen Fällen müssen die Aggressionsgründe analysiert und mit einem individuellen Training an diesem gearbeitet werden. Allein durch eine Kastration ist in der Regel keine Verhaltensänderung zu erwarten.

Im Gegenteil: Einige Aggressionen, wie etwa Ressourcenverteidigung, können sich durch eine Kastration noch weiter verschlimmern.

Einige möchten mit der Kastration auch das Risiko von bestimmten Krebsarten verringern. Das ist lieb gemeint, aber leider nur eine Seite der Medaille. Mittlerweile wurde durch Studien belegt, dass das Risiko für einige Krebsarten durch Kastrationen zwar sinkt, das Risiko für andere Krebsarten aber je nach Rasse steigen kann.

Natürlich gibt es tierärztliche Indikationen für eine Kastration, das können zum Beispiel folgende Dinge sein:
 Pyometra (Gebärmutterentzündung)
 Scheinschwangerschaften, unter denen die Hündin sehr leidet
 Tumore der Geschlechtsorgane
 Hodenhochstand beim Rüden
 Prostataerkrankungen
 Starke Hormonschwankungen, die das Verhalten stark negativ beeinflussen
 etc…

Pubertät Hund Aggression hundetraining Itzehoe Elmshorn

In welchem Alter sollten Hunde kastriert werden? Ein Wort zur Frühkastration

Von einer ‚Frühkastration‘ spricht man in der Regel, wenn eine Hündin noch vor der ersten Läufigkeit, also noch vor erreichen der Geschlechtsreife kastriert wird. Das entspricht einem Alter von ca. 6 bis 12 Monaten. Bei Rüden bewegt man sich mit der Frühkastration im gleichen Zeitraum.

Während der Pubertät reift nicht nur der Körper, sondern auch das Gehirn aus. Rüde und Hündin legen das kindliche ab, werden langsam pubertär und stellen mehr oder weniger alle geltenden Regeln in Frage um am Ende der Pubertät als erwachsene Individuen vor uns zu stehen.

Wird nun Rüde oder Hündin kastriert bevor diese ganzen Prozess überhaupt in Gang gesetzt wurde bleibt das Tier mit sehr großer Wahrscheinlichkeit was Verhalten und Körperbau angeht sein Leben lang immer eher kindlich – denn die zum vollen Ausreifen benötigten Hormone sind schlichtweg nicht vorhanden.

Eine Frühkastration, egal ob chemisch oder chirurgisch, sollte nach sorgfältiger Abwägung oder im Notfall, wie etwa einer Gebärmutterentzündung, erfolgen.

Du bist dir unsicher, welche Auswirkungen eine Kastration auf die Verhaltensprobleme deines Hundes haben könnte?
Lass uns drüber reden!
Hundetraining Junghunde Itzehoe Elmshorn

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>> Nur weil etwas immer so gewesen ist, heißt es nicht, dass es immer so bleiben muss. <<

Unbekannt

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